die sage vom drachen

Auf einer der sieben Inseln im Staffelsee – es soll die Jakobsinsel gewesen sein – hat ein wilder, bösartiger und blutgieriger Drache gehaust. Alles, was an Lebendigem in seiner Nähe war, wurde von seinen grausamen Zähnen zermalmt. Sein Gifthauch fuhr ätzend und vernichtend über das ganze Land hinweg und er war gefürchtet von allen im Umkreis.
Zu der Zeit lebte ein frommer Klausner auf der Insel Wörth. Er hatte einen Schüler, der ein Murnauer Schusterjunge war, ein Jüngling schon, mit einem klugen, findigen Kopf.
Oft und oft ruderte er im Einbaum hinüber nach Wörth und hörte auf die frommen Reden des Einsiedlers und dann berieten sie zusammen, auf welche Weise dem schrecklichen Untier beizukommen sei.
Da hatte der junge Schuster eines Tages eine gute Idee. Er besorgte sich ein Kalbsfell, füllte es mit ungelöschtem Kalk, nähte es zusammen und nach vollbrachter Arbeit stand ein Tier da, das man kaum von einem lebenden Kalb unterscheiden konnte.
Das brachten sie nun, der Schusterbube und der Mönch, im Einbaum bei der prallsten, brütendsten Mittagssonne auf die Insel St. Jakob. Sie hörten schon von weitem das tiefe grunzende Schnarchen der Bestie, die lang hingestreckt am Ufer lag und schlief. Also stellten sie das vermeintliche Kalb recht verlockend hin und machten sich schleunigst davon. Es mag ein erfreulicher Anblick gewesen sein, als der Drache die blutgierigen Augen auftat und gerade vor dem Maule so einen leckeren Braten fand. Unverzüglich verschlang der die Beute.
Bald darauf verspürte er einen brennenden Durst. Er wälzte sich ins Wasser und soff und soff, so dass die Ufer zurückgingen. Mit einem Male tat es einen fürchterlichen Knall, der von den Wäldern und Bergen widerhallte. Der Drache war geborsten und tiefrot färbte sich in weitem Umkreis der Staffelsee. Die Gegend aber war endlich von dem hässlichen und gefürchteten Untier befreit.
An diesen selben gescheiten Schusterbuben erinnerte man sich auch und rief ihn herbei, als Kaiser Ludwig der Bayer, der vielgelobte Landesherr – der sich inzwischen das welfische Jagdhaus zum stattlichen Schloss umgebaut hatte – von der Jagd geritten kam und justament den am Dornbusch zerrissenen Stiefel geflickt haben wollte, ohne vom Pferd steigen und ihn ausziehen zu müssen. Auch das brachte der junge Schuster zuwege und alles lief zusammen und schaute zu. Nun dürfte er einen Wunsch äußern, meinte der Kaiser vom Pferd herab, so groß könne er gar nicht sein, dass er nicht erfüllt würde. Alle Anwesenden waren erstaunt, als der Bursche schlicht den Wunsch vorbrachte, der Kaiser möge dem neugegründeten Markte Murnau ins Wappen doch jenen bösen Drachen geben.
Und so geschah es. Droben im Eichholz, unter den vier Linden, wo er sonst zu Gericht saß, erhob Kaiser Ludwig der Bayer Murnau zum kaiserlich gefreiten Markt und gab ihm ins Wappen „einen grasgrünen, fletschenden Drachen…“