die versunkenen glocken

In der großen Bucht der Insel Wörth, gegen Westen hin, liegen die Glocken des alten Inselklosters versenkt. Zwei von reinem geschlagenem Silber. Zwei haben einen gewaltigen bronzenen Leib. Mönche ließen sie in der letzten Stunde noch an Seilen hinab, als der Zug der wilden Hunnen, auf kleinen Rossen den See durchschwimmend, gegen die abgelegene Stätte herüberkam. Niemand hat das Geschehnis bemerkt. Und die paar Mönche fielen unter den krummen Säbeln der Plünderer.
Aber seit jenen Zeiten fangen die versenkten Glocken jedes Mal auf wundersame Weise zu läuten an, wenn dem Lande gefahrvolle Zeiten drohen. Zuerst erklingt die kleine, helle, und das singt über den Wassern wie ein Lerchenlied. Wenn die zweite ertönt und wie ein fester ordnender Schritt neben der singenden einhergeht, dann horchen sie auf, jenseits des Sees, werden bleich und bekreuzigen sich. Das Schwingen der beiden bronzenen aber braust dahin wie das Weltengericht und dann weiß man gewiss, dass wieder einmal eine Gottesstrafe über das Land kommen wird.
Viele unter den Erschrockenen sind Gläubige, die sich aufmachen, Buße zu tun. Denen hat das Läuten als Warnung gedient. Solchen öffnet sich immer noch der Weg aus dem Unheil oder es streckt sich eine rettende Hand oder sie finden sich zu einer befreienden Tat.
Aber meist sind‘s der andern viel mehr, die diese Mahnung abtun und das Gehörte verleugnen als einen alten Glauben, der unzeitgemäß und töricht ist. Und sie sind noch jedes Mal gar böse zu Schaden gekommen, ob das schon damals, zur Zeit der Ungarneinfälle war, zu Zeiten der Pest oder in jenen vielen Kriegen.
Es gab immer noch welche, die haben mit hellen Augen bei klarem See ganz in der Tiefe des Wassers die vier Klosterglocken erschaut. Das sind Hellsichtige, Weise, die gut sind und fromm. Und sie kehren immer und immer zurück zu jener Bucht und träumen zu der Stell‘ hinunter. Stundenlang.
Wenn sie dann wieder im Alltag weilen, tun sie fröhliche Taten, dass die andern aufhorchen und den Kopf schütteln darob. Sie wissen nicht, woher ihr Frohmut und ihre helle Zuversicht kommen.
In Rieden hat so einer gelebt. Der war wie ein Sonnenstrahl und alles, was er in die Hand nahm, hatte einen geheimnisvollen Glanz und brachte den andern, auf die es überging, Glück. Als er starb, ein hochbetagter ehrwürdiger Greis, da tönte die kleine Silberglocke vom Grunde der Inselbucht herauf, schwang weithin über das Wasser und durch die Luft – bis hinauf zu den Hörndlehöhen, bis nach Benediktbeuern hinüber und weit in die Berge hinein. Es war ein feines Singen und klang wie Lerchenschlag.