Der Steg auf die Insel Wörth

Die Insel Wörth

Sie ist mit ca. 37 ha die größte – und für viele auch die schönste der sieben Inseln im Staffelsee: Die Insel Wörth. Zahlreiche Legenden ranken sich um ihre wechselvolle Geschichte – insbesondere, da ihre Frühgeschichte bis heute immer noch teilweise unerforscht ist. Aus diesem Grund fanden von 1992 bis 1997 archäologische Ausgrabungen auf der Insel statt, die die zahlreichen Geheimnisse der Inselgeschichte lüften sollten.

Die erste Besiedlung, die Kelten, die Räter und die Römer

Bereits zur Bronzezeit (2000 – 800 v. Chr.) waren die damals lebenden Menschen in der Lage, aus Baumstämmen Boote zu bauen, mit denen sie Flüsse und Seen überqueren konnten. So taten sie dies wahrscheinlich auch am Staffelsee, denn während der Forschungsarbeiten in den 1990er Jahren wurden auf der Insel Wörth u. a. Tonscherben aus dieser Zeit ausgegraben. Bereits zuvor hatte im Jahr 1962 ein Taucher ein Bronzeschwert aus dieser Zeit zwischen der Jakobsinsel und der Wörth geborgen. Diese archäologischen Funde beweisen eine erste Besiedlung der Insel Wörth während der Bronzezeit.
Dagegen ist eine spätere Besiedlung der Staffelseeregion in der Eisenzeit (ca. 800 v. Chr. – Christi Geburt) durch die Kelten wissenschaftlich umstritten, wahrscheinlicher ist, dass in der Gegend ein alpines Volk lebte, das die einfallenden Römer die „Räter“ nannten. Da entsprechende Funde aus dieser Zeit rund um den Staffelsee bisher fehlen, ist jedoch bis heute noch nicht endgültig geklärt, ob auf der Insel Wörth tatsächlich die Kelten oder doch eher die Räter siedelten.
15 v. Chr. wurde schließlich das bayerische Voralpenland von den Römern erobert und besiedelt, aus dieser Zeit sind wieder archäologische Funde vorhanden. So bauten die Römer im 4. und 5. Jahrhundert nach Chr. am Hügelplateau der Insel eine Befestigungsmauer sowie Turmanlagen, u. a. um sich und die Zivilbevölkerung hier am Rande des Römischen Reiches gegen die zunehmenden Angriffe der Germanen verteidigen zu können.

Die Christianisierung  und die Legende um Bonifatius

Nach dem Rückzug der Römer im Jahr 488 zeugen die ersten Schriftquellen von einer Besiedlung der Insel zur Zeit der Bajuwaren im 7. Jahrhundert n. Chr. Bereits zu dieser Zeit verbreitete sich das Christentum unter der Bevölkerung und mischte sich mit dem ursprünglichen heidnischen Glauben. Neben anderen Siedlungsgebäuden stand im 7. Jahrhundert bereits auch eine erste Kirche aus Stein auf der Insel Wörth, deren Grundmauern jedoch bei Arbeiten für den Bau eines Klosters im 8. Jahrhundert weitestgehend zerstört wurden. Überreste dieser ersten Kirche sind jedoch auch noch heute in unmittelbarer Nähe zur jetzigen Inselkapelle zu finden. In unmittelbarer Nähe fand man bei Ausgrabungen auch eine bajuwarische Grabstätte.

Einer Seehauser Überlieferung zu Folge weihte der Missionar und Gelehrte St. Bonifatius (672/675 – 754/755) die Insel Wörth im Jahr 742 dem christlichen Glauben. Für diese Version der Geschichte gibt es jedoch leider keine schriftliche Überlieferung, auch die Anwesenheit des Hl. Bonifatius am Staffelsee ist nicht belegbar. Viele Jahre gab es allerdings eine uralte Bonifatiuslinde auf der Insel, die zwar 1945 durch einen Blitzschlag zerstört wurde, jedoch durch eine Neupflanzung ersetzt wurde.

Das Kloster Staffelsee

Im 8. Jahrhundert hielten dann Mönche Einzug auf der großen Staffelseeinsel: Die erste Kirche wurde abgetragen und an ihrer Stelle das Kloster Staffelsee sowie eine neue Kirche errichtet. Von diesem Kloster wurden bei archäologischen Ausgrabungen auf der Insel Mauerreste und sogar Teile eines Fußbodenpflasters gefunden. Auch durch päpstliche Briefe und andere Dokumente aus dem 8. Jahrhundert gilt die Existenz eines Bistums Neuburg/Staffelsee zu dieser Zeit als gesichert. Das Kloster im Staffelsee war hierbei zumindest zeitweise neben Neuburg an der Donau der Sitz des Bischofs Simpert. Das Bistum wurde jedoch bereits im ersten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts (800-810) mit dem Bistum Augsburg vereinigt.

Um 810 entstand das „Staffelsee-Urbar“, eine Art Inventarliste des Klosters, deren Fragment heute zu einem der wichtigsten Schriftstücke der Wirtschaftsgeschichte dieser Zeit gehört. Danach war das Kloster neben seinem großen Bibliotheksbestand reich an Textilien und Landgütern: So gehörten wohl auf dem Festland neben einer Mühle auch ca. 250 Hektar Ackerland zum Kloster Staffelsee. 42 abhängige bäuerliche Hof- und Wirtschaftseinheiten, so genannte „Huben“, gehörten ebenfalls zum Kloster. Diese mussten neben Arbeitskraft auch Naturalabgaben, Boten- und Soldatendienste leisten. Auch die Kirche des Klosters war für die damaligen Verhältnisse reich ausgestattet.

„Dat gafregin ich mit firahim firiuuizzo meista, dat ero ni uuas noh ufhimil,
noh paum noh preg ni uuas, ni […] nohheinig noh sunna ni scein, noh mano ni liutha noh der mareo seo.“

 „Das erfragte ich unter den Menschen als des Wissens Größtes: Dass die Erde nicht war noch der Himmel noch Baum noch Berg war, noch irgend etwas , noch die Sonne schien, noch der Mond leuchtete, noch das Meer war.“

 Möglicherweise entstanden diese berühmten Zeilen in der Schreibstube des Klosters Staffelsee auf der Insel Wörth. Sie gehören zum so genannten „Wessobrunner Gebet“, das als eines der ältesten Denkmäler der deutschen Sprache gilt. Es entstand im Jahr 814 im Bereich des Bistums Augsburg, der genaue Ort der Erstellung ist jedoch bis heute nicht bekannt.
Dass das Kloster Staffelsee der Entstehungsort des berühmten „Wessobrunner Gebets“ war, ist nach wie vor nur eine – allerdings bisher unwiderlegte – Hypothese. Grundlage für die wissenschaftlichen Untersuchungen war der Vergleich verschiedener Schreibstile, die in den einzelnen Schreibstuben der Klöster gepflegt wurden. Während der Schreibmönch im Kloster Wessobrunn einen eher „merowingische kursiven“ Stil benutzte, ist das Wessobrunner Gebet in der moderneren „karolingischen Minuskel“ verfasst – ein Indiz dafür, dass es tatsächlich im Kloster Staffelsee entstand.

Ebenfalls keine gesicherten Erkenntnisse gibt es über das Ende des Klosters Staffelsee. Nach örtlichen Legenden wurde das Kloster vom Hunnenkönig Attila ca. 950 n. Chr. zerstört. Diese Version der Geschichte darf jedoch angezweifelt werden, da Attila ca. 500 Jahre zuvor gelebt hatte. Eine andere Legende besagt, dass das Kloster Staffelsee von den einfallenden Ungarn zerstört wurde, so wie es auch die Nachbarklöster in Schlehdorf, Schäftlarn, Benediktbeuren und Tegernsee getroffen hatte:

„Schrecklicheres kann man nicht lesen, als die Schilderungen, welche die bayerischen Jahrbücher von den Einfällen der Ungarn, welche im Jahre 907 und 909 am grausamsten waren, machen. Die ganze Menschlichkeit entsetzet sich darüber. […] Kein Haus, keine Hütte wurde ungestöret oder unabgebrannt gelassen, und die Erbitterung war ganz besonders über Klöster, Kirchen und Altäre. […] Über diesen allgemeinen Sturz des Vaterlandes fielen auch die uralte[n], herrliche[n] Gebäude des Staffelsees hin. Denn obschon diese Barbaren die Belagerungszunft gar nicht verstanden, waren sie doch geschickt genug, die nur durch das Wasser des Staffelsees geschützte[n] Inseln zu bezwingen.“

Doch auch ein Angriff der Ungarn auf das Kloster Staffelsee wird von Historikern bezweifelt. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden keinerlei Anzeichen einer gewaltsamen Zerstörung (der Nachweis erfolgt hierbei über eine Brandschuttschicht) gefunden. Zudem ist bekannt, dass die Ungarn auch andere Inselklöster (z.B. Reichenau oder Chiemsee) verschonten. Ihre Lage gewährte Ihnen Schutz und stand zudem der von Ungarn bevorzugten Taktik des schnellen Zugriffs wirksam im Wege.
Die Ungarn waren in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts übrigens nicht die einzigen Plünderer: Zahlreiche Adelsfamilien bekriegten sich im Land und verwüsteten so ganze Landstriche. Und auch Herzog Arnulf von Bayern (Herzog von 907 bis 937), den die kirchliche Geschichtsschreibung später mit dem Cognomen „der Böse“ belegt hat, scheute nicht davor zurück, zur Finanzierung seiner militärischen Abenteuer reichlich Kirchengüter zu konfiszieren.

 Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde jedoch das Kloster Staffelsee – wie auch andere bayerische Klöster zu dieser Zeit – aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Die Gebäude wurden aber zunächst nicht dem Verfall überlassen. Vielmehr scheint die Insel Wörth um ca. 960 über einige Jahrzehnte als regelrechte Sommerresidenz der Augsburger Bischöfe gedient zu haben; mehrere Besuche von Bischof Ulrich von Augsburg auf der Insel sind überliefert.  

Und noch am 17. Januar 1000 logierte Kaiser Otto III. auf seiner Rückreise von Italien auf der Insel.

Die Inselkirche und der Steg 

Hingegen durch historische Schriften als gesichert gilt, dass sich spätestens ab dem 12. Jahrhundert auf der Insel Wörth kein Kloster mehr, sondern eine Pfarrkirche befand. Im Jahr 1450 wurde die Pfarrgemeinde Staffelsee, zu der die Dörfer Seehausen, Riedhausen, Rieden, Aschau und Weichs gehörten, durch Erlass des Papstes Nikolaus V. dann dem 1330 gegründeten Kloster Ettal zugesprochen. 

Doch der Weg zum Gottesdienst war beschwerlich: Hinüber zur Inselkirche gelangte man vom Festland aus entweder per Boot oder mittels eines ca. 300m langen und 90cm breiten Holzstegs. Noch heute sind die Überreste der Pfähle des Originalstegs zwischen der Halbinsel Burg, der Jakobsinsel und der Insel Wörth im See ca. einen halben Meter unter der Wasseroberfläche zu erkennen.

 „[…] Einige Pfarrkinder gingen nur selten in die bestehende Kirche, weil sie sich ‘mittels Schiffen […] von dem Mösner […] von dem Landt über den See in die Insul’ übersetzen lassen müssten; anders erreichte man die Kirche nur über einen […] Steg, der über Sumpf und Wasser führte. Aufgrund dieser Situation seien schon manche ohne die heiligen Sakarmente verstorben oder gar beim Kirchgang ertrunken.“

Die Versetzung der Pfarrkirche aufs Festland

Da der Weg über den Staffelsee insbesondere bei schlechtem Wetter und im Winter beschwerlich und auch gefährlich war, kam bei den Bewohnern der Staffelsee-Dörfer der Wunsch auf, die Inselkirche ans Festland zu verlegen. Näheres dazu finden Sie hier...